Für Viola und Klavier
Johannes Brahms hatte bereits seinen Rückzug vom Komponieren verkündet, als er im Frühjahr 1894 mit dem Cellisten Robert Hausmann und dem Klarinettisten Richard Mühlfeld Kammermusik machte. Diese Begegnung erneuerte offensichtlich seine Begeisterung für Mühlfelds viel bewundertes Klarinettenspiel und inspirierte ihn noch im selben Sommer zur Komposition zweier Klarinettensonaten. Wann Brahms genau eine Violastimme zu den beiden Sonaten verfasste, ist unbekannt. Allerdings erschienen sowohl die Klarinetten- als auch die Violafassung 1895, und damit im selben Jahr, bei Simrock. Heute besteht kein Zweifel an Brahms’ Verfasserschaft der Violastimme, die wesentliche Änderungen gegenüber der Originalfassung für Klarinette aufweist, um dem Streichinstrument gerecht zu werden.
Ein wichtiger Bestandteil der neuen Ausgabe ist das ausführliche Vorwort, das über die Entstehungsgeschichte, frühe Aufführungen, die Drucklegung und Rezeption der beiden Sonaten informiert. Außerordentlich bemerkenswert sind darüber hinaus die detaillierten Hinweise zur Aufführungspraxis: Von der Prämisse ausgehend, dass sich schon wenige Jahrzehnte nach Brahms’ Tod eine Kluft zwischen den Vorstellungen des Komponisten und der Aufführungpraxis des frühen 20. Jahrhunderts auftat, setzen sich die Herausgeber auf der Basis vielfältiger Quellen – Erinnerungen von Schülern und Musizierpartnern, Lehrwerke und Abhandlungen, frühe instruktive Ausgaben und historische Tonaufnahmen – mit wesentlichen Aspekten zum Verständnis der Brahmsschen Notation auseinander. Indem sie am konkreten Werk Abschnitt für Abschnitt Fragen im Hinblick auf Rhythmus und Tempo, Dynamik und Artikulation, die Verwendung von Pedal bzw. Fingerpedal, Arpeggierung und manueller Asynchronie (Klavier) sowie bezüglich des Umgangs mit Streicherfingersätzen, Flageoletts und Vibrato diskutieren, leisten sie eine unverzichtbare Hilfestellung bei der Erarbeitung einer historisch informierten Werkinterpretation. Zugleich vermittelt die Ausgabe einen faszinierenden und oftmals überraschenden Einblick in die Aufführungspraxis der deutschen Romantik insgesamt.
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