Moralisch-ethischer Wandel im europäischen Musiktheater um 1700: Paris, Hamburg, London
Studien und Materialien zur Musikwissenschaft 96
Der Wandel des moralisch-ethischen Denkens in den Dekaden um 1700 ist eine black box. Denn gedruckte Morallehren und Rechtstheorien dokumentieren vorrangig die etablierten, nicht die neuen, zukunftsweisenden Auffassungen. Darauf, was sich verändert und Menschen bewegt, haben die Zeitgenossen in der Transformationsphase kaum verbalsprachlichen Zugriff. In diesem Dilemma bietet das Musiktheater einen Ausweg an. In der barocken und frühaufklärerischen Oper wurden nicht nur absolutistische Fürsten verherrlicht und politisch-amouröse Intrigen inszeniert. Die Musiktheaterbühne war vor allem auch progressive moralische Anstalt. Hier bildeten sich mit rein dramatischen, impliziten Mitteln neue, visionäre ethische Ideen aus und wurden einem größeren Publikum vorgestellt.
Die Monographie rekonstruiert die damalige Gemengelage aus alten und neuen moralisch-ethischen Anschauungen, wie sie sich im Musiktheater in drei europäischen Kulturzentren manifestiert: Paris/Versailles, Hamburg und London. Sie zeigt, dass an der Neugestaltung der moralisch-ethischen Visionen nicht nur die Librettisten der zu vertonenden Verse, sondern auch die Komponisten – und zwar mit musikalischen Mitteln – mitwirkten.
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